Warum Schallabsorber manchmal nicht das tun was sie sollen - Winkelabhängige Schallabsorption

kaiser • 12. Dezember 2020

Warum Schallabsorber manchmal nicht das tun was sie sollen - Winkelabhängige Schallabsorption

Flächenbildende Schallabsorber werden mit dem Schallabsorptionsgrad α in Oktav-Frequenzbändern beschrieben. Dieser wird nach der Hallraummethode (ISO 354 - Akustik - Messung der Schallabsorption in Hallräumen, 2003) ermittelt. Alternativ ist es auch möglich Messungen im Impedanzrohr (Kundt’sche Rohr) durchzuführen, in welchen ein Schalleinfall aus Normalrichtung besteht. Diese Methode wird häufig zur Entwicklung von Produkten eingesetzt. 

Da im Hallraum ein Schallfeld sehr hoher Diffusität entsteht sind alle Ausbreitungsrichtungen über einen langen Zeitraum (Nachhallzeiten bis 7,0 Sekunden) gleich wahrscheinlich. In der Praxis setzt man jedoch Absorber in Räumen ein, welche diese Voraussetzung nicht erfüllen. Viele Räume weisen bevorzugte Ausbreitungsrichtungen auf. Dies kann z.B. in langen Gängen der Fall sein. Oder in sehr flachen Räumen. Auch wenn z.B. bereits eine Akustikdecke besteht und weitere Wandpaneele eingesetzt werden sollen. Ein diffuses Schallfeld wird nur in geringen Maßen und für kürzere Zeiträume ausgebildet werden. 
 
Im Paper Angle-Dependent Absorption of Sound on Porous Materials haben sich Jose Cucharero, Tuomas Hänninen und Tapio Lokki von 2020 (Open Access: https://www.mdpi.com/2624-599X/2/4/41) tiefer mit dem Thema beschäftigt und verschiedene Experimente mit unterschiedlichen Materialien durchgeführt.
 
Die wesentlichen Ergebnisse sind:
  • Es wurde eine Methode vorgestellt winkelabhängige Schallabsorptionsgrade zu messen
  • Winkelabhängige Schallabsorptionsgrade unterscheiden sich teilweise deutlich von jenen gemessen im Hallraum (Diffus) oder Impedanzrohr (Normaleinfall)
  • Wenn der Winkel des einfallenden Schalls den Normalwinkel annähert, nähert sich die Schallabsorptionsgradkurve den Ergebnissen der Impedanzrohr Methode an 
  • Streifender Schalleinfall konvergiert zu den Ergebnissen der Hallraummessungen

Im folgenden Video stellt Philipp Gierlinger das Paper im Detail vor. Die Präsentation entstand im Zuge der Masterklasse Audio Design auf der Fachhochschule FH St. Pölten. Weitere Projekte der Masterklasse auf http://audiodesign.fhstp.ac.at/.

#akustik #raumakustik #schallabsorbtion #schallabsorber #hallraum #impedanzrohr

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In zahlreichen Studien, vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wurde versucht herauszufinden, welche Nachhallzeiten als optimal für verschiedene Nutzungsvarianten bzw. Veranstaltungstypen empfunden werden. Man gab dazu Versuchspersonen in einen Raum und ließ zum Beispiel ein Streichquartett musizieren. Nach und nach brachte man mehr Absorptionsflächen in den Raum ein und ließ die Versuchspersonen bewerten, ob sie die jeweilige Akustik als geeignet empfanden. Es stellte sich heraus, dass im Allgemeinen eine optimale Nachhallzeit für die jeweilige Nutzung des Raums feststellbar war. Waren die Nachhallzeiten länger oder kürzer als dieses Optimum, so wurde die Akustik jeweils als ungeeignet empfunden. Diese optimalen Nachhallzeiten unterliegen subjektiven Streuungen. Jede Person hat eine etwas andere Empfindung, trotzdem konnte eine Normalverteilung festgestellt werden. Entscheidend ist aber, dass die optimalen Nachhallzeiten stark von der Raumnutzung und von der Raumgröße abhängig sind. Es ist zum Beispiel einleuchtend, dass Sprachveranstaltungen einer kürzeren Nachhallzeit für gute Sprachverständlichkeit bedürfen als z.B. eine Chorveranstaltung. Zudem tendiert unsere Erwartungshaltung für größere Räume in Richtung von längeren Nachhallzeiten. Dieser Anspruch resultiert hauptsächlich aus unseren Erfahrungen, da die meisten kleinen Räume eben kürzer nachhallen als größere Räume. Diese Zusammenhänge wurden in der Literatur verknüpft und anschließend in Normen festgehalten, um sich als Standards etablieren zu können. Jedes Land hat dabei einen etwas unterschiedlichen Zugang. Einerseits durch den offensichtlichen Kulturunterschied, andererseits handelt es sich oftmals um ein Kosten/Nutzen-Problem, welches sich aus bauwirtschaftlichen Überlegungen ergibt. Um hier einen direkten Vergleich mit den tatsächlichen Nachhallzeiten bekannter Opernhäuser und Konzertsäle darzustellen, sind im untenstehenden Bild die mittleren Nachhallzeiten dieser Säle über die jeweiligen Volumina dargestellt. Es ist ersichtlich, dass die Streuung relativ hoch ist, daher sind auch die Toleranzbereiche optimaler Nachhallzeiten relativ groß (± 20%).
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