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QRD Diffusor

kaiser • Sept. 21, 2021

QRD Diffusor

Diffusoren in der Akustik sind wie Schallabsorber auch Akustikelemente zur Gestaltung der Raumakustik. Im Gegensatz zu Schallabsorbern aber schlucken sie nicht die Schallenergie, diese bleibt zum größten Teil im Raum erhalten, die Wirkung der Diffusoren besteht darin die Energie einer aus einer bestimmten Richtung auftreffenden Schallwelle in alle Richtungen verteilt wieder abzugeben. Dies passiert frequenzabhängig, folgende Abbildung verdeutlicht dies:

Ähnlich dem optischen Reflexionsgesetz verhält sich auch die Schallwelle, wenn sie auf ein Hindernis trifft: Einfallswinkel ist gleich Ausfallswinkel. Befindet sich nun am Reflexionspunkt eine unebene Oberfläche mit Strukturen in der Größe der Wellenlänge des auftreffenden Schalls, so wird die Schallwelle in unterschiedliche Richtungen zurückgeworfen, beim idealen Diffusor halbkreisförmig in alle Richtungen verteilt. Diffusoren tragen somit zur Bildung eines diffusen Schallfeldes in einem Raum bei. Das ideale diffuse Schallfeld definiert sich dadurch, dass der Schall an einem Punkt im Raum mit gleicher Wahrscheinlichkeit aus allen Richtungen eintrifft, und dies für alle Punkte im ganzen Raum gilt. Aus Sicht des Akustikers macht die Erzeugung von diffusen Schallfeldern Sinn, um zum Beispiel einem Raum eine gewisse Lebendigkeit (= längere Nachhallzeit) zu lassen, ohne dabei störende einzelne Reflexionen oder Echos in Kauf nehmen zu müssen. So kommen die unterschiedlichsten Arten von Diffusoren und schallstreuenden Elementen in der Akustik vor. Während man in konzerttauglichen Sälen vor allem Säulen, Stuck, Täfelungen, Logen und Balkone, Skulpturen, Karyatiden und Kassettendecken, sowie andere große Reflektoren wie gezielt eingesetzte Deckensegel vorfindet, so kommen in kleineren Räumen wie Tonstudios aufgrund des geringen Platzangebots vermehrt speziell konstruierte Diffusoren vor, wie zum Beispiel auch der hier vorgestellte QRD.


Die Abkürzung “QRD” bedeutet Quadratic Residue Diffusor (auch Schroeder Diffusor genannt). Dahinter verbirgt sich folgende Formel, nach der dieser Diffusor berechnet wird:

t = Tiefenfaktor der Diffusorböden in Abhängigkeit von n

N = Primzahl

n = Ganzzahl zwischen Null und N

 

Folgende Abbildung zeigt einen QRD und eine schematische Darstellung. Jeder Punkt der Oberfläche des Diffusors (die aus unterschiedlich tiefen Böden besteht) verursacht bei der Reflexion der ankommenden Wellenfront kleine neue Elementarwellen (Huygenssches Prinzip) die sich zu einer neuen Wellenfront überlagern. Aufgrund der unterschiedlich tiefen Böden und somit unterschiedlich langen Wege der Schallwelle werden Phasenverschiebungen produziert und somit die neue Wellenfront in unterschiedliche Richtungen “gelenkt”. 


Der “Zauber” des QRD liegt in der speziellen Berechnung und Anordnung der einzelnen Tiefen der Diffusorböden: Hinter “mod” versteckt sich die Modulo-Rechnung. Dabei handelt es sich um die Restberechnung einer Division. So ist z.B. 11 mod 3 = 2, denn 11 / 3 = 3 Rest 2. Im Falle eines Quadratic Residue Diffusors mit 7 Fächern/ Böden (das heißt die Primzahl N ist gleich 7) ergeben sich bei n = 0 bis n = 7 folgende Tiefenfaktoren: 0, 1, 4, 2, 2, 4, 1, (0)*. Diese Tiefenfaktoren stellen also immer die Differenz von n² zum kleineren ganzzahligen Vielfachen von 7 dar. Z.B. für n = 6: n² = 36, 1 Rest auf 35 (=7 x 5). Dieser Zusammenhang ist entscheidend für das Verständnis des Diffusors: Zum nächst gelegenen (tieferen) Vielfachen der Zahl 7 können also maximal 6 verschiedene Restbeträge kommen (1 – 6), zählt man den Rest “Null” auch dazu, erhält man somit genau 7 verschiedene Tiefenfaktoren.


Für den Diffusor wird nun eine Designfrequenz gewählt, diese bestimmt die tatsächliche Designtiefe bzw. Bautiefe des Diffusors. Je tiefer er gebaut ist, zu umso tieferen Frequenzen kann er arbeiten. Es gilt hier der Zusammenhang: Die Designtiefe des Diffusors entspricht der halben Wellenlänge der Designfrequenz. Bei der Designfrequenz dreht das tiefste Fach (die maximale Tiefe des Diffusors) die auftreffende Schallwelle um genau 360° in der Phase, alle anderen Tiefen bzw. Böden ändern die Phase entsprechend weniger. Somit bestimmt das Quadrat der Zahl n die Phasenverschiebung, und der Restbetrag in der Gleichung hält diese innerhalb von 0 - 360°. Je höher die Primzahl gewählt wird, umso mehr Restbeträge sind möglich, umso mehr verschiedene Tiefen haben die Diffusorböden, umso mehr verschiedene Phasenverschiebungen gibt es, umso gleichmäßiger verteilt der Diffusor die Schallenergie halbkreisförmig. Unabhängig davon, wie viele Fächer und Böden der QRD absolut gesehen hat, erfolgt dank der speziellen Formel und Berechnung des QRD bei der Designfrequenz und deren Vielfachen eine Schallverteilung mit gleichmäßig angeordneten Schallkeulen und einer annähernd gleichmäßigen Energieverteilung in alle Richtungen. Folgende Abbildung zeigt einen solchen Fall im Vergleich zur Reflexion einer ebenen Platte.


*(Anm.: Streng genommen darf die Modulo-Rechnung nur bis n – 1 durchgeführt werden (also 6² mod 7 = 1), aber aus Symmetriegründen wird in der Praxis gerne oft noch ein abschließendes Fach angehängt, man bekommt also immer so viele Fächer wie die gewählte Primzahl plus 1.)

Für eine korrekte Arbeitsweise des QRD, sodass also die Schallwelle die richtigen Entfernungen zu den unterschiedlich tiefen Böden zurücklegt, muss sich der Schall innerhalb der Fächer als ebene Wellenfront fortpflanzen, das erklärt die Notwendigkeit der Trennwände, welche im Idealfall möglichst dünn sind, aber gleichzeitig stabil sein müssen um keine Verluste durch Resonanz zu verursachen.


Der Frequenzbereich, in dem der Diffusor arbeitet, ist in der Theorie zwischen der unteren Grenzfrequenz (= Designfrequenz) und der oberen Grenzfrequenz. Folgende Formeln bestimmen diese Frequenzen:


Smax = größter Tiefenfaktor

tmax = Tiefe des tiefsten Bodens in Meter

c = Schallgeschwindigkeit

 

Die obere Grenzfrequenz errechnet sich mit:

b = Breite der Böden in Meter


Vereinfacht gesagt bestimmt die Diffusortiefe den Tiefgang des QRD (je tiefer umso so tiefer die untere Grenzfrequenz), und die Breite der Fächer die obere Grenzfrequenz (je schmäler umso höher die Grenzfrequenz). In der Praxis findet aber bereits eine Oktave unterhalb der Designfrequenz Schallstreuung statt, ebenso findet auch oberhalb der oberen Grenzfrequenz noch Schallstreuung statt. Diese Bereiche sind aber in ihrer Wirkung unvollständig und nur komplex zu beschreiben.


Eine weitere wichtige Frequenz ist diejenige, bei der der Diffusor ähnlich einer Platte den Schall gänzlich ohne Schallstreuung reflektiert. Zur Wiederholung: Die Tiefen der einzelnen Böden sind Vielfache der halben Designwellenlänge dividiert durch die gewählte Primzahl. Trifft nun eine Schallwelle von vorne auf den Diffusor, die genau die Wellenlänge Designwellenlänge dividiert durch die Primzahl hat, also die Designfrequenz mal die Primzahl hat, so wird jedes Fach das Signal genau um Vielfache dessen Wellenlänge verschieben, sprich alle zurückreflektierten Wellen werden in Phase sein, es wird zu keiner Diffusion kommen. Der QRD arbeitet bei dieser Frequenz wie eine glatte reflektierende Platte. Diese Frequenz liegt meist im oberen Frequenzbereich und kann sich mit der oberen Grenzfrequenz überschneiden. Um sie möglichst unhörbar zu machen, kann man entweder die Designfrequenz erhöhen oder eine höhere Primzahl verwenden, beide Maßnahmen verringern den Abstand der einzelnen Tiefen zueinander.


Die Fächer des Diffusors dürfen im Bestreben nach einer hohen Grenzfrequenz nicht zu schmal gewählt werden, da sonst keine Diffusion im Bass- und Mittenbereich stattfinden kann. Dies ist abhängig von der Gesamtgröße des QRD, sind die Fächer auch weniger tief und der gesamte QRD somit für höhere Frequenzen ausgelegt, so können die Fächer entsprechend der Miniaturisierung auch schmäler gewählt werden. Die Bandbreite eines QRD ist also beschränkt, eine gute Breite der Fächer sind 5-9cm. Eine Möglichkeit einen QRD breitbandiger zu gestalten ist die “Verschachtelung” eines QRD in einen anderen. Dabei werden die üblicherweise ebenen Flächen der einzelnen Fächerböden selbst als QRD gestaltet. Folgende Abbildung zeigt einen solchen QRD, einen so genannten Diffractal®.

Will man eine größere Fläche als Diffusor verkleiden, so steht man vor der Wahl entweder einen einzelnen großen QRD mit einer hohen Primzahl zu verwenden, oder eine Vielzahl an QRDs mit einer kleineren Primzahl, in letzterem Fall spricht man von Periodizität. Optisch ansprechender und in der Fertigung billiger ist in der Regel die Anordnung von mehreren QRDs mit einer niedrigen Primzahl. Periodizität hat aber den Nachteil einer schlechteren bzw. ungleichmäßigeren Abstrahlung mit vielen Einbrüchen in der Schallabstrahlung und damit verbundenen hörbaren Klangverfärbungen. In der Regel wird daher ein Kompromiss eingegangen, gut sind z.B. fünf Wiederholungen und eine entsprechende Wahl der Primzahl. Eine weitere Abhilfe dieses Problems sind Diffractal®-QRDs, QRDs mit unterschiedlichen kritischen Frequenzen, sowie eine aperiodische Anordnung von QRDs. Dabei werden QRDs mit unterschiedlichen Primzahlen und damit Längen kombiniert. Ebenso ist es möglich QRDs mit inversen Versionen (die Rückseite wird zur Frontseite) zu kombinieren, und die Abfolge nach einer so genannten Barker-Sequenz zu gestalten. Dadurch kann auch das Diffusionsvermögen bei tieferen Frequenzen verbessert werden.


Bei der Wahl des QRDs gibt es Primzahlen, die günstigere Proportionen in Hinsicht auf untere Grenzfrequenz versus Bautiefe haben. Die tiefste Grenzfrequenz bei minimaler Bautiefe erreicht man mit der Primzahl 7, daher ist dieser QRD auch sehr verbreitet. Eine weitere Möglichkeit die untere Grenzfrequenz zu erweitern, ist in die Formel für die Tiefenberechnung eine Konstante einzubauen:


So wird z.B. bei einem N = 7 QRD aus dem Restbetrag (Bodentiefe) von 4 und einer Konstanten von 3 ein neuer Restbetrag von 0. (4 + 3 = 7, 7 / 7 = 1, Rest 0). Es wird also der Maximalwert der Bautiefe überschritten, durch den Mod- Operator wird der Boden zum Minimalwert “geflippt”, und dieses Fach hat nach der ursprünglichen Tiefe von 4 nur 0. Dieser Verschiebungsprozess passiert mit allen Fächern und Tiefen, dadurch kann sich in Abhängigkeit des QRD-Modells und der gewählten Konstante eine Optimierung der Bautiefe ergeben, weil die einzelnen Böden relativ zueinander anders zu liegen kommen.



Eine weitere Möglichkeit die Bautiefe zu verringern sind gefaltete Fächer, sodass z.B. die längsten Fächer auf der Rückseite um 90° gebogen weiter verlaufen. Ebenso können Lochplatten an den Trennwänden und Öffnungen des QRD angebracht werden, diese erhöhen die Impedanz und Masse der Luftsäule (was eine andere Resonanzfrequenz und Phasenlage mit sich zieht), worauf diese kürzer gebaut werden können und bei etwa halber Tiefe die gleiche Wirkung haben. Ein Nachteil ist, dass diese Lochplatten bei hohen Frequenzen reflektierend wirken. Ähnlich funktioniert der Helmfusor, ein QRD mit einzelnen großen Helmholtzresonatoröffnungen in den Böden der Fächer, diese Resonatoren sind auf tiefe Frequenzen abgestimmt, drehen die Phase und arbeiten somit auch als Diffusor.


QRDs werden aus unterschiedlichen Holzarten, durchsichtigem Kunststoff, thermoverformbarem Kunststoff, glasverstärkten Gipsplatten und geschäumtem Polystyrene hergestellt. Sie sollen sehr präzise und stabil gebaut sein, da sonst z.B. bei bleibenden Fugen oder mitschwingenden Trennwänden viel Energie durch Resonanzen verloren geht. Der Absorptionsgrad von QRDs liegt in der Regel zwischen α = 0,1 - 0,3, bei schmalen Fächern kann er auch noch höher liegen, daher ist es empfehlenswert Fraktal-Diffusoren (Diffractal®) zu verwenden.

Es werden auch 2D QRDs gefertigt, diese besitzen dann quadratische Fächer und beinhalten sowohl in der x– als auch y-Ebene eine QRD Sequenz.

Es gibt heute Computerprogramme, die gezielt QRD ähnliche Diffusoren erstellen, diese aber optimieren. Das erfordert teilweise sehr hohe Rechenleistungen, die heute aber zur Verfügung stehen, ein auf diese Weise optimierter Diffusor arbeitet noch wesentlich effizienter als ein gewöhnlicher QRD, wie folgende Abbildung der Diffusionskoeffizienten verdeutlicht:


Quellen:

  • Andreas Friesecke: Die Audio-Enzyklopädie, 2. Auflage. 2014, Walter de Gruypter GmbH
  • Floyd E. Toole: Sound Reproduction. 2008, Focal Press
  • Trevor J. Cox, Peter D’Antonio: Acoustic Absorbers and Diffusers, 2nd Edition. 2009, Taylor & Francis
  • https://www.subwoofer-builder.com/qrd.htm

 

Hinweis:

Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit Florian Mayerhoffer (https://www.shape-the-sound.com/) entstanden.


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