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Holzwolle und Akustik

kaiser • Feb. 09, 2022

Die wichtige Rolle der Holzwolle in der Raumakustik

Holzwolle ist ein naturbelassener Werkstoff und besteht aus bis zu 50cm langen, gleichmäßigen, feinen, splitterfreien, elastischen und nahezu staubfreien Holzwollefäden. Holzwolle wurde bereits im Mittelalter als Restprodukt der Holzverarbeitung als Zuschlagstoff für Lehm und als Füllmaterial in Matratzen verwendet. Gezielt hergestellt wurde sie erstmals um 1840 in den USA, etwa 40 Jahre später begann auch in Europa die Produktion. 1908 erhält Robert Scherer das österreichische Patent für die erste magnesitgebundene Holzwolle-Leichtbauplatte, die seit 1924 industriell produziert werden. Diese Platten findet man heute auch in der Akustik, da sie wie poröse Absorber funktionieren.

Lange Zeit galt Holzwolle als minderwertiges billiges Verpackungsmaterial und hatte aufgrund von Missverständnissen und Unwissen ein schlechtes Image. Daran Schuld trägt vielleicht die weltweit einheitliche Klassifizierung von Holzwolle, sie wird unter dem HTS-Code 4405.00.00 zusammen mit Holzmehl in allen Handelsstatistiken erfasst, und ist somit im Gegensatz zu Holzspänen und Holzfasern nicht als Werkstoff angesehen. Heute erlebt die Holzwolle eine Renaissance, sie wird vielfältig eingesetzt.


Herstellung:

 

Bei der Holzwolleproduktion werden entrindete Rundholzabschnitte von Fichten, Kiefern und anderen Laub- und Nadelbäumen mit spanabhebenden Hobelmaschinen bearbeitet. Das verwendete Holz ist sehr hochwertig, astfrei und gut getrocknet (ca. 16 Monate Trocknungszeit, 13% Restfeuchtigkeit). Eine große (und auch die einzige) Produktionsfirma von Holzwolle in der Schweiz, verwendet für ihre insgesamt 180 verschiedene Holzwollearten ausschließlich Rohstämme die nach FSC (Forest Stewardship Council) und PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification) zertifiziert sind. Um die von Baumart zu Baumart unterschiedlichen biologischen, chemischen und physikalischen Eigenschaften (z.B. auch der Harzanteil) optimal nutzen zu können, wird in der heutigen modernen Holzwolletechnologie für jeden Verwendungszweck nach der bestmöglichen Rezeptur gesucht, das heißt für jede Holzwolle gibt es ein anderes Mischungsverhältnis der Holzarten, und die Fasern unterscheiden sich in der gewählten Dimension bezüglich Länge (bis 50cm), Breite (1-6mm) und Dicke (0,05-0,5mm). Der Herstellungsprozess ist rein mechanisch, umweltfreundlich, CO2-neutral und energiearm. Die gehobelte Holzwolle wird gereinigt, nach Größe sortiert, von störenden Holzsplittern befreit, schonend gepresst (mit Ausnahme von Premiumholzwolle), produktspezifisch verpackt und so schließlich zum Verkauf gebracht. Mit Zement und Magnesit gebundene Holzwolle wird zu Leichtbauplatten verarbeitet.



Anwendungen:

 

Holzwolle findet aufgrund der vielseitigen Einsatzmöglichkeiten und positiven Eigenschaften in unzähligen Branchen Verwendung. In den 1920iger Jahren entdeckte ein Chirurg die Holzwolle im Bereich der Hygiene (z.B. Wundverbände oder die ersten Tampons für Frauen). Mitte des letzten Jahrhunderts verdrängten dann aber synthetische Stoffe Hygieneprodukte aus Holzwolle. Aber sie kommt heute noch in der Euterhygiene bei Nutztieren zum Einsatz.

In der Haustierhaltung wird Holzwolle aufgrund der großen Saugfähigkeit und der geruchsbindenden Eigenschaften für Tiere jeder Größe geschätzt. Aufgrund der Staubfreiheit zum Schutz der Atemwege wird bei wertvollen Sportpferden die Holzwolle gerne dem Stroh vorgezogen, zumal Stroh und vor allem importiertes Stroh heute oft mit Pestiziden belastet und mit gefährlichen Kunststoffpartikeln, Teilen von Getränkedosen usw. verunreinigt ist. Hamster und Hasen können sich in der Holzwolle Nester und Höhlen bauen und sich so artgerecht beschäftigen, diese Holzwolle bezeichnet man auch als Kuschelwolle.

 

Beim Anbau empfindlicher Früchte wie Erdbeeren beispielsweise verhindert Holzwolle das Verschmutzen der Früchte, Schneckenfraß, Schimmelbefall und das Aufkeimen von Unkraut. Ausgesuchte Rohholzmischungen enthalten besonders viel ätherische Öle, Gerb- und Faserstoffe, welche die Schnecken vertreiben. In Trockenzeiten hält die Wolle den Boden länger feucht. Sie dient als Frostschutz für empfindliche Pflanzen, bietet Schutz vor Regenerosion, schafft ein Mikroklima am Boden, bietet UV-Schutz, und ist ein Feuchtigkeitsspeicher. Holzwollematten werden in der Renaturierung im hochalpinen Raum (z.B. Skipisten und steile Hänge) verwendet. Ein bekanntes Produkt sind zum Beispiel die „Curlex Erosion Control Blankets“ der US Firma American Excelsior Company.

Im Grund- und Straßenbau verhindern Bodenschutzmatten aus Holzwolle das Wegschwemmen von frischen Erdaufschüttungen.

 

Holzwolle dient auch zur optisch ansprechenden, nachhaltigen und sicheren Verpackung empfindlicher und hochwertiger Produkte und Lebensmittel wie Spirituosen, Trockenfleisch, Lebensmittelkörbe und Glaswaren.

 

Als Dämmmaterial überzeugt Holzwolle aus ökologischer Sicht, die Dämmwirkung ist aber aufgrund einer im Vergleich zu anderen Dämmmaterialien relativ hohen Wärmeleitfähigkeit von ca. 0,09 Watt pro Meter und Kelvin eher schlecht, wird aber trotzdem in der Zwischensparrendämmung und Untersparrendämmung verwendet. Holzwolle hat eine gute Wärmespeicherkapazität von 2.100 Joule pro Kilogramm und Grad Kelvin und absorbiert Feuchtigkeit (offenporige Struktur) und kann diese auch wieder abgeben, hat also eine ausgleichende Funktion, und schafft somit ein gutes Raumklima. Holzwolle ist schwer entflammbar (Brandschutz B1 nach DIN 4102). Fertige Platten weisen eine Rohdichte von 40 -90 kg/m² auf.

 

Schließlich wird Holzwolle zum Einrichten von Insektenhotels und zur Aufzucht von Insekten verwendet, die Imkerholzwolle wird in Zuckerwasser oder Ambrosia-Bienenfutter getränkt und dient den Bienen als Nahrungsquelle, ohne dass diese Gefahr laufen müssen zu ertrinken. Darüber hinaus werden Särge mit Holzwolle ausgekleidet, Zielscheiben beim Bogenschießen sind aus Holzwolle, in manchem Osterkorb findet sich statt Heu die grüne Osterholzwolle, Plüschtiere besitzen als Füllmaterial oft Holzwolle (so z.B. auch der erste Teddybär), mit Lebensmittelparaffin getränkte Holzwolle dient als Anzündhilfe und gewinnt zunehmend an Bedeutung, und zu guter Letzt gibt es Wellness-Kissen mit Holzwolle aus Mondphasenholz.

Holzwolle in der Akustik:

 

Die magnesit- und zementgebundenen Holzwolle-Leichtbauplatten, die in der Akustik verwendet werden, haben den Vorteil gegenüber anderen porösen Absorbern, dass sie mechanisch widerstandsfähig sind. Sie eignen sich einerseits für viele Zwecke, wo auch andere Absorber zum Einsatz kommen (nicht zuletzt aufgrund der optisch ansprechenden Oberfläche), wie z.B. Akustikdecken, Baffeln und Deckensegel, sowie Wandverkleidungen, aber andererseits z.B. aufgrund der Ballwurfsicherheit auch für Sportsäle. Eine weitere verbreitete Anwendung sind Garagen.

Solche Akustikplatten gibt es z.B. von den Herstellern „Knauf AMF“ (Heradesign® und Tektalan Holzwolleplatten), sowie „Fibrolith“.

Heradesign® Akustikplatten werden in Österreich in Ferndorf (Kärnten) hergestellt. Es sind magnesitgebundene Holzwolle-Platten. Das Magnesit wird im lokalen Bergwerk abgebaut, das für die Holzwolle verwendete Fichtenholz kommt ebenfalls aus der Gegend. Zu Beginn der Herstellungskette reift das geschlagene Holz ca. 8-12 Monate auf dem Lagerplatz, dann werden die entrindeten zwei Meter langen Stämme mit einer Mehrblattsäge in 50cm Blöcke zerteilt. Diese werden aussortiert und den Rotationshobelmaschinen zugeführt, die die Baumstammabschnitte in die rohe Holzwolle umwandeln. Parallel wird eine Suspension aus Wasser und kaustisch gebranntem Magnesit hergestellt. Bei der kaustischen Verbrennung wird das abgebaute Magnesit (chemische Formel MgCO3) auf 790°C erhitzt, dabei kommt es zu einer Abspaltung des Kohlenstoffs (= Kalzinierung), es bleibt das reine Magnesiumoxyd (MgO) zurück. In die Suspension werden geringe Mengen anderer Stoffe als Bindemittel hinzugefügt, und schließlich die Holzwolle damit inkrustiert (überzogen). - Der nächste Schritt im Fertigungsprozess der Akustikplatten ist die Einlegestation mit der Bandformmaschine, wo die Holzwolle von zwei Stahlbändern von oben und unten komprimiert wird, zusammen mit einer seitlichen Begrenzung entsteht ein 60cm breites Endlosband bzw. eine Endlosplatte. Diese durchläuft dann den 220°C heißen 30m langen Kalibrierkanal, wo es zur Warmabbindung kommt. Eine automatische Kreissäge zerschneidet die Endlosplatte schließlich zu 1-3m langen Platten. Diese Platten werden dann einer Qualitätsprüfung unterzogen, bevor es zur Kantenausbildung und individuellen Färbung laut Kundenwunsch kommt. Die eingefärbten Platten werden getrocknet und schließlich durch einen Verpackungsroboter für den weltweiten Export hergerichtet.


Heradesign®-Akustikplatten können recycliert werden (Wiedergewinnung des Bindemittels und Energierückgewinnung), können aber unter Zugabe von Bakterien auch kompostiert und deponiert werden.


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