Helmholtzresonator

kaiser • 13. April 2021

Helmholtzresonatoren

Der Helmholtzresonator zählt zu den Resonanzabsorbern. Er ist geeignet für die Schallabsorption von tiefen und mittleren Frequenzen. Er ergänzt in der Raumakustik sehr gut die Wirkung der porösen Absorber (z.B. Mineralwolle oder Schaumstoff), welche für tiefe Frequenzen eher ungeeignet sind. Poröse Absorber sind dort am effektivsten, wo die Schallschnelle (= die Bewegungsgeschwindigkeit der Luftteilchen) am größten ist, das ist bei einem Viertel der Wellenlänge vor der Wand der Fall, und wäre somit bei tiefen Frequenzen weit im Raum, was in der Praxis oft nicht umsetzbar ist. Resonanzabsorber hingegen werden am besten im Schalldruckmaximum aufgestellt, was an den Begrenzungsflächen gegeben ist. 

Der Nachteil von Resonanzabsorbern und somit auch Helmholtzresonatoren ist, dass es sich um Resonanzsysteme handelt und diese nur mit einer bestimmten Güte und beschränkten Bandbreite rund um die Resonanzfrequenz schwingen. Um eine breitbandige Wirkung zu bekommen, werden entweder mehrere Absorber mit unterschiedlicher Abstimmfrequenz kombiniert, oder z.B. Absorberarten kombiniert (Helmholtz- plus Membranabsorber, oder Helmholtz- plus poröser Absorber).

Jeder Helmholtzresonator besteht aus einem Resonatorvolumen und einem Resonatorhals. Die Funktion des Helmholtzresonators ergibt sich aus der Schwingung und Dämpfung eines Masse-Federsystems. Das einfachste Beispiel eines Helmholtzresonators ist eine leere Glasflasche: Bläst man über deren Rand, so ertönt ein Ton. Es schwingt dabei der Luftpfropfen des Flaschenhalses (=Masse) gegen die in der Flasche eingeschlossene Luft (=Feder). Dabei ist die Luftgeschwindigkeit im Resonatorhals am schnellsten. Bringt man an dessen Mündungen nun Dämmmaterial ein, so wird wie bei einem porösen Absorber die Bewegungsenergie der Luftteilchen in Wärmeenergie umgewandelt und auf diesem Weg dem System Energie entzogen. In der Praxis wird ein Helmholtzresonator z.B. auf die Frequenz einer Raummode (= Eigenfrequenz eines Raumes) abgestimmt, wird durch diese Raummode zum Schwingen angeregt, und entzieht ihr dabei laufend Energie und arbeitet somit als Absorber.

Die Resonanzfrequenz eine Helmholtzresonators ist abhängig von den Dimensionen des Resonatorhalses sowie des Resonatorvolumens. Die Masse des Luftpfropfens m im Resonatorhals ergibt sich aus der Dichte der Luft ϱ0, der Halslänge L, sowie der Halsquerschnittsfläche A:

Die Federkonstante K errechnet sich aus der Dichte der Luft ϱ0, der Halsquerschnittsfläche A, der Luftgeschwindigkeit c, sowie dem Volumen des Resonators V:

Die Resonanzkreisfrequenz ω0 ist:

Aus ihr errechnet sich die Resonanzfrequenz f0:

Da der wirksame Luftpfropfen nicht abrupt mit dem Halsende aufhört, sondern tatsächlich etwas länger als die Halslänge ist, muss eine Mündungskorrektur ∆L hinzugefügt werden:

Die Mündungskorrektur gilt für den Radius R und einen im Vergleich zur betrachteten Frequenz kurzen Hals:

Die Mündungskorrektur wird von mehreren Faktoren beeinflusst, was eine exakte Berechnung oft sehr schwierig gestaltet. Bei einer Lochplatte beeinflussen sich die vielen Löcher gegenseitig, ebenso sind Sonderformen des Resonatorhalses möglich (z.B. quadratische Löcher, Schlitze, konische Löcher), die eine veränderte Mündungskorrektur erfordern. Schließlich verändert auch Dämmmaterial in der Nähe oder innerhalb des Resonatorhalses die tatsächliche Resonanzfrequenz.


Man kennt die physikalischen Zusammenhänge des Helmholtzresonators bereits seit mehr als 100 Jahren, die Kunst ist das korrekte Zusammenspielen von Lochanteil und Lochgröße. Bei der Verwendung von Resonanzabsorbern im Bassbereich ist es jedoch nach wie vor schwierig den benötigten Bedarf einzuschätzen. Obwohl man die Funktion des Helmholtzresonators einigermaßen genau berechnen kann, ist die genaue Bedeutung und Interpretation der Absorptionskoeffizienten nicht eindeutig. Im Bassbereich ist das Schallfeld nicht diffus, und daher sind die Auswirkungen eines Absorbers nicht mit statistischen Gesetzen errechenbar. Aus pragmatischen Gründen wird in der Praxis aber oft trotzdem von einem Diffusfeld ausgegangen. Genauer aber viel komplizierter wäre die wellentheoretische Betrachtung des tieffrequenten Schallfeldes z.B. mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode.


Helmholtzresonatoren finden in der Raumakustik in den unterschiedlichsten Formen und an einer Vielzahl von Orten Verwendung. So kann z.B. das Volumen eines Podests für tieffrequent arbeitende Helmholtzresonatoren verwendet werden. Die Firma RPG Acoustical Systems bietet sogenannte Concrete Masonry Units an, das sind Ziegel, die als Tieftonabsorber funktionieren. In Konzerthallen können sich an den Wänden sichtbar Lochplatten für die Mittenabsorption befinden, und dahinter größere Tiefton-Helmholtzabsorber arbeiten. In Tonstudios sind tieffrequent arbeitende Helmholtzresonatoren im Dienste des Studiobetreibers oft als “Holzkisten” anzutreffen.

Folgende Abbildungen zeigen einen Helmholtzresonator bei der Arbeit.

Quellen:


Hinweis:

Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit Florian Mayerhoffer (https://www.shape-the-sound.com/) entstanden.

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