Basotect in der Raumakustik

kaiser • 10. Juni 2021

Basotect in der Raumakustik

Basotect® ist der geschützte Name für einen offenzelligen Schaumstoff aus Melaminharz, einem duroplastischen Kunststoff. Bei der Herstellung muss zunächst Melamin herstellt werden, welches die Summenformel C3H6N6 hat. Bereits im Jahre 1834 stellte Justus von Liebig Melamin aus Kaliumthiocyanat und Ammoniumchlorid her, seit den 1930iger Jahren fand die erste kommerzielle Herstellung von Melamin durch Trimerisierung von Harnstoff statt. Dabei ist bereits Harnstoff ein Zwischenprodukt einer Kette mehrerer chemischer Prozesse, das Ausgangsprodukt ist (neben Wasser und Sauerstoff) das Erdgas. 

Der überwiegende Teil der weltweiten Melaminproduktion wird dann durch weitere chemische Prozesse und Zusatzstoffe (Formaldehyd) zu Aminoplast-Kunstharz (Melaminharz) verarbeitet. Durch den Zusatz von Härtemitteln wird das niedermolekulare Harz vernetzt und erhält dadurch seine unlösliche und unverformbare Eigenschaft eines duroplastischen Kunststoffes. So werden Melaminharze zum Beispiel gerne in der Produktion von bruchfestem Camping- und Kindergeschirr eingesetzt. Die genaue Herstellung des Basotect®-Schaumstoffs bleibt Betriebsgeheimnis der Firma BASF, dem weltweit umsatzstärksten Chemiekonzern mit Sitz in Deutschland.
Basotect®-Schaumstoff besitzt viele wertvolle Eigenschaften. Produkte wie der Radierschaum von Meister Proper profitieren von der hohen Abrasivität, das heißt dass der Schaumstoff leicht angefeuchtet wie ein feines Schmirgelpapier sehr gut Schmutz von einer Oberfläche entfernen kann, auch in Radiergummis finden sich Anteile an Melaminharzschaum. Aufgrund der Offenporigkeit kann Basotect®-Schaumstoff sehr gut Schall absorbieren und besitzt gute Wärmedämmeigenschaften. Er ist im Vergleich zu anderen Schaumstoffen und anderen Schall absorbierenden Materialien sehr leicht (9kg pro Kubikmeter). Basotect® ist darüber hinaus schwer entflammbar (Stufe B1 laut nationaler Norm DIN 4102-1, und B-s1, d0 laut EN DIN 13501-1), und ist somit geeignet für Anwendungen mit erhöhten Brandschutzanforderungen. 

Die Firma BASF stellt verschiedene Varianten von Basotect® her, laut eigenen Angaben ist der Schaumstoff ein Highend-Werkstoff, durch intensive Forschung konnte auch eine thermoformbare Variante "Basotect® TG" entwickelt werden, die z.B. in der Automobilindustrie verwendet wird. Basotect® kann hydro- und oleophobiert werden, was in der Industrie oft gefragt ist. Die Basotect® Variante "UL" zeichnet sich durch ein besonders geringes Gewicht aus (nur 6kg pro Kubikmeter) und findet sich im Flugzeugbau. Darüber hinaus kommt Basotect® im Schiffs- und Eisenbahn-Bau, der Raumfahrt, der Haus- und Klimatechnik, in Tonstudios und Freizeithallen vor. Zu guter Letzt werden auch Polstermöbel aus Basotect® gefertigt.

Einige Arten des Schaumstoffs sind nach dem "Standard 100 by Oeko-Tex" zertifiziert, in dem Schadstoffgrenzwerte und Anforderungen an die gesundheitliche Unbedenklichkeit definiert werden. "Basotect® W" (Verbraucheranwendungen wie z.B. Reinigungsschämme) fällt hier in die Produktklasse I (Produkte für Babys und Kleinkinder). Diese Variante ist auf Speichelechtheit geprüft, und ist zusätzlich auch nach dem "Japanese Law 112" getestet, einer der weltweit strengsten Prüfungen auf Formaldehyd. Basotect kann mit dem Hausmüll entsorgt werden.


Scheinbar wurde das Produkt zufällig entdeckt. Das Material sollte ursprünglich als Wärmedämmung entwickelt werden, hat aber tatsächlich geringe wärmedämmende Eigenschaften. Als sich ein akustisch geschulter Mitarbeiter in einer der Lagerhallen die Frage stellte warum es eigentlich so ruhig ist, wurde die schallabsorbierende Eigenschaft des Basotect-Schaumstoffs entdeckt.


Die folgenden Abbildungen zeigen Schallabsorptionsgrade in Abhängigkeit der Dicke und des Wandabstands: 

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